Koalitionsvertrag

Was bedeutet der Koalitionsvertrag für die Höchstarbeitszeiten und die Zeiterfassung?

Autor: Michael Stausberg | veröffentlicht am 9. April 2025 | Lesedauer: ca. 5 Minuten

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Die Wochenhöchstarbeitszeit kommt

Eine Lösung für Bereitschaftsdienste? Wohl nicht.

Die elektronische Zeiterfassung wird Pflicht

Seit Jahren warten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Rechtsprechung. Nachdem sich die Ampelkoalition drei Jahre lang nicht einigen konnte, scheint die kommende Koalition aus CDU/CSU und SPD nun einen Plan zu haben. Kurz gesagt: die Wochenhöchstarbeitszeit kommt. Und die elektronische Zeiterfassung wird Pflicht.

Nach acht Stunden oder in Ausnahmefällen nach zehn Stunden muss die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers enden. So ist es heute im Arbeitszeitgesetz geregelt. Das schränkt die betriebliche Flexibilität naturgemäß ein, sodass Unternehmerverbände seit langem eine Aufweichung dieser Obergrenze oder ihre Flexibilisierung fordern. Sie wissen viele Arbeitnehmer auf ihrer Seite, die lieber eine längere Tagesarbeitszeit leisten und zum Ausgleich an nur vier Tagen arbeiten und so schon am Donnerstag von der Baustelle nach Hause fahren können.

Dem stehen zahlreiche Studien entgegen, die den Zusammenhang zwischen langer Arbeitszeit einerseits und Gesundheitsgefahren und Unfallrisiken andererseits belegen. Die Gesundheitsrisiken reichen von Kopfschmerzen bis zu Depressionen, Herzerkrankungen oder Schlaganfällen. Das Unfallrisiko steigt nach acht Stunden exponentiell an, Arbeitszeiten über zehn Stunden täglich hinaus erscheinen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin als hoch riskant.

Der DGB hat während der Koalitionsverhandlungen den Gesundheitsschutz der Beschäftigten hervorgehoben und eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes abgelehnt. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi: „Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz, das Erholung und Gesundheit sichert, und fußt auf arbeitsmedizinischen Erkenntnissen.“ Bereits in zu vielen Branchen kämen Beschäftigte längst an ihre Belastungsgrenze. „Dort droht ein Kollaps mit einer weiteren beliebigen Ausweitung der Arbeitszeiten.“

Auch aus betrieblicher Sicht ist keineswegs sicher, dass die Verlängerung der Höchstarbeitszeit sinnvoll ist. Denn die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten sinkt bei langen Arbeitszeiten.

Die Wochenhöchstarbeitszeit kommt

Dennoch: was die FDP in der Ampelkoalition noch nicht durchsetzen konnte, wird nun in der CDU-geführten kommenden Regierung umgesetzt: an die Stelle der Tageshöchstgrenze von 8 Stunden (und in Ausnahmen 10 Stunden) soll nun eine Höchstgrenze von 48 Stunden je Woche treten.

Man will sich an der EU-Arbeitszeitrichtlinie orientieren, in der eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vorgegeben wird:

Die durchschnittliche Arbeitszeit für jeden Sieben-Tage-Zeitraum darf 48 Stunden einschließlich Überstunden nicht überschreiten.

Eine Lösung für Bereitschaftsdienste? Wohl nicht.

Das Arbeitszeitgesetz kennt die 11-Stunden-Ruhezeit zwischen zwei Arbeitsschichten. Sie sorgt dafür, dass man nach Feierabend erst 11 Stunden später die Arbeit wieder aufnehmen darf. In vielen Branchen wie technischen Notdiensten führt diese Regel dazu, dass Beschäftigte nach ihren nächtlichen Bereitschaftsdiensten an der folgenden Tagesschicht nicht teilnehmen dürfen. Wer sich fragt, warum kaum noch tierärztliche Notdienste angeboten werden und Tierkliniken freiwillig ihre Zulassung abgeben, findet hier die Antwort.

Das neue Arbeitszeitgesetz wird hier wohl keine Entspannung bieten, denn auch die EU-Arbeitszeitrichlinie kennt diese Regelung. Und daran will sich die Koalition orientieren:

In jeder 24-Stunden-Periode hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf mindestens 11 aufeinanderfolgende Stunden Ruhe.

Die elektronische Zeiterfassung wird Pflicht

Der Europäische Gerichtshof hat 2019 geurteilt, dass Unternehmen verpflichtet sind, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten zu erfassen, und zwar mit einem „objektiven, verlässlichen und zugänglichen“ System. Bereits danach war von Arbeitgebern und Gewerkschaften die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes mit einer Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung erwartet worden.

Nach jahrelangem Warten hat das Bundesarbeitsgericht 2022 ein Verfahren zur Mitbestimmung von Betriebsräten über die Einführung eines Zeiterfassungssystems genutzt, um die Pflicht zur Zeiterfassung gerichtlich festzulegen. Es verband das EuGH-Urteil mit dem Arbeitsschutzgesetz: da der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Gesundheit der Beschäftigen zu schützen, ergibt sich aus dem EuGH-Urteil die Pflicht zur Zeiterfassung.

Das BAG hatte die Zeiterfassung nun zur Pflicht erklärt, gleichzeitig aber auch mitgeteilt, dass damit nicht unbedingt eine elektronische Zeiterfassung gemeint sei. Aus der Frage nach dem Ob wurde die Frage nach dem Wie: die Zweifel der Unternehmen über ihre Pflichten verlagerten sich nun darauf, ob Excel-Tabellen und handschriftliche Stundenzettel genügen, oder man eine digitale Lösung einführen sollte.

Die Koalition kündigt endlich eine Klarstellung an: Die elektronische Zeiterfassung wird zur Pflicht. Allerdings versprechen die ergänzenden Formulierungen noch spannende Auseinandersetzungen darüber, für welche Unternehmensgrößen diese Pflicht wann eintritt. Und was man sich darunter vorstellen kann, wenn die Koalition „unbürokratische“ Regelungen ankündigt.

Auch der Satz „Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich“ lässt Fragen offen. Noch vor einem Jahr hat das Verwaltungsgericht Hamburg geurteilt, dass Vertrauensarbeitszeit kein Grund ist, von der Dokumentation der Arbeitszeiten abzusehen. Nur die Aufzeichnung der Arbeitszeiten könne sicherstellen, dass die Einhaltung von Pausen und Ruhezeiten geprüft werden kann.

Aus dem Koalitionsvertrag:

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Beschäftigte und Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität. Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zur konkreten Ausgestaltung werden wir einen Dialog mit den Sozialpartnern durchführen. Wir werden die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch regeln und dabei für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln vorsehen. Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich.

Fazit: Sollte die Koalition zustande kommen, wird die Zeiterfassungspflicht endlich gesetzlich festgelegt. Kleine Unternehmen werden eine angemessene Zeit erhalten, sich darauf einzustellen. Beschäftigte in Vertrauensarbeitszeit sollen ausgenommen werden.

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