Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 hält sich das Gerücht, erst nach einer Novellierung des Arbeitszeitgesetzes seien Unternehmen dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten aller Beschäftigten zu erfassen. Dabei wird schon im Urteil des BAG klargestellt, dass es eine allgemeine Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten gibt, solange der Gesetzgeber nichts anderes festlegt, beispielsweise durch ein neues Arbeitszeitgesetz:
Leitsatz des BAG-Urteils, Auszug:
Arbeitgeber sind ... verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht ... eine ... abweichende Regelung getroffen hat.
Außer einem Referentenentwurf aus dem Frühjahr 2023 ist die angekündigte Novellierung aber offenbar nicht vorangekommen; ein neues Arbeitszeitgesetz ist jedenfalls nicht in Sicht. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist also weiterhin maßgeblich.
Das Verwaltungsgericht Hamburg musste nun entscheiden, ob das Urteil des Bundesarbeitsgerichts tatsächlich so zu verstehen ist, dass es schon heute eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung für alle Beschäftigten gibt. Anlass war die entsprechende Anordnung der Arbeitssschutzbehörde, dass auch Beschäftigte oberhalb der Teamleiterebene Arbeitszeiten zu erfassen haben – unabhängig davon, dass diese Beschäftigten in Vertrauensarbeitszeit tätig waren.
Das Gericht urteilt am 21. August 2024:
Vorliegend verstößt die Klägerin gegen ihre Dokumentationspflicht aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Arbeitgeber ... nach der Rahmenvorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 u. 6 lit. b dieser Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat... Daraus folgt aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG bei unionsrechtkonformer Auslegung die Pflicht von Arbeitgebern ..., ein System einzuführen, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Überstunden erfasst werden... Diese sich bereits aus dem Gesetz ergebende Dokumentationspflicht ist von der Klägerin – anders als diese geltend macht – auch zu erfüllen. Einer weiteren (gesetzlichen) Umsetzung dieser Pflicht durch den deutschen Gesetzgeber aus Gründen der Klarstellung oder Konkretisierung bedarf es insoweit nicht. Ferner kommt es auch nicht darauf an, wie die rechtlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Beschäftigten, gegebenenfalls durch bestehende oder noch zu treffende Betriebsvereinbarungen, im Einzelnen ausgestaltet sind. ... Die streitgegenständliche Anordnung dient dazu, die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten sicherzustellen und hierdurch die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer ... zu gewährleisten."
16. September 2024